06.06.2018
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Landesverband Bayern
Landtagswahl 2018 - was sagen die Parteien zu unseren Themen?
Am 14. Oktober wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Wir haben die Parteien zum Interview gebeten und sie mit Themen konfrontiert, die für uns Physiotherapeuten aktuell relevant sind. Die Antworten veröffentlichen wir nach und nach hier auf unserer Homepage.

Heute: Prof. Dr. Peter Bauer (Freie Wähler), stellvertretender Fraktionsvorsitzender, Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege im Bayerischen Landtag
Sehr geehrter Herr Prof. Bauer, der Koalitionsvertrag sieht vor, dass das Schulgeld für die physiotherapeutische Ausbildung abgeschafft wird. Inwieweit unterstützen Sie dieses Vorhaben im Bayerischen Landtag?
Sehr geehrter Herr Prof. Bauer, der Koalitionsvertrag sieht vor, dass das Schulgeld für die physiotherapeutische Ausbildung abgeschafft wird. Inwieweit unterstützen Sie dieses Vorhaben im Bayerischen Landtag?
Trotz des bestehenden Fachkräftemangels in der Physiotherapie müssen viele Schüler/-innen Schulgeld für ihre Ausbildung an privaten Berufsfachschulen zahlen. Dies wirkt abschreckend auf die Schüler/-innen, ist nicht mehr zeitgemäß und mindert die Attraktivität dieses Berufs. In Bayern sind öffentliche Berufsfachschulen bereits schulgeldfrei. Dies muss auch für die privaten Schulen gelten. Aus diesem Grund hat die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion bereits einen Dringlichkeitsantrag in den Bayerischen Landtag eingebracht, mit dem die Staatsregierung aufgefordert wird, die erforderlichen Finanzmittel für eine vollständige Schulgeldfreiheit dieser Ausbildungsrichtung bereitzustellen. Für Nordrhein-Westfalen und Bremen ist die vollständige Schulgeldfreiheit bereits angekündigt worden. Auch der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD sieht die Abschaffung des Schulgelds für die Gesundheitsfachberufe vor.In der Physiotherapie macht sich seit einigen Jahren ein massiver Fachkräftemangel bemerkbar, der sich zunehmend weiter anspannt. Patienten müssen oft wochenlang auf einen Behandlungstermin warten. Laut der aktuellen Fachkräfteanalyse der Bundesagentur für Arbeit dauert es durchschnittlich 151 Tage, bis ein Praxisbesitzer eine freie Stelle neu besetzen kann, damit zählt die Physiotherapie zu den sogenannten Mangelberufen. Wie wollen Sie und Ihre Partei diesem Missstand entgegentreten?
Die Attraktivität des Berufs muss gefördert werden. Dazu gehört zum einen, dass für die Ausbildung kein Schulgeld verlangt werden darf, zum anderen muss aber auch die Vergütung angemessen sein und vor allem frei von überbordender Bürokratie.Auf internationaler Ebene ist eine akademische Ausbildung für Physiotherapeuten Standard. Auch hier in Deutschland empfiehlt der Wissenschaftsrat einen Akademikeranteil von 10 – 20 Prozent unter den Berufsangehörigen. Trotzdem gehen die Entwicklungen in diesem Bereich äußerst schleppend voran. Es stehen bei weitem nicht ausreichend Studienplätze zur Verfügung. Seit 2009 gibt es eine Modellklausel, deren Erprobungszeitraum allerdings erst 2021 enden soll. Was wollen Sie und Ihre Partei unternehmen, damit Deutschland in dieser Frage den Anschluss wieder findet?
Die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion begrüßt die Ausweitung der Modellprojekte der Kassen, die einen Direktzugang zum Physiotherapeuten ermöglichen und die damit einhergehende Steigerung der Autonomie der Berufsgruppe.
Die demographische Entwicklung führt zu einer steigenden Nachfrage nach Physiotherapie, so dass zum einen mehr Physiotherapeuten gebraucht werden und zum anderen diese auch sehr gut ausgebildet und zur wissenschaftlichen Reflektion befähigt sein müssen, um steigenden Anforderungen entsprechen zu können.Es wird oft und gerne davon gesprochen, die Gesundheitsfachberufe aufwerten und stärken zu wollen. Die Stärkung der Selbstverwaltung durch die Schaffung einer Physiotherapeutenkammer wäre hier ein naheliegender Ansatz. Wie stehen Sie und Ihre Partei zu diesem Thema?
Darüber hinaus würde eine Akademisierung zu einer Steigerung der Attraktivität des Berufsbilds führen und damit eine wirksame Maßnahme gegen den Fachkräftemangel darstellen.
Die Stärkung der Physiotherapie ist unerlässlich wie die vorangehenden Fragen gezeigt haben. Als FREIE WÄHLER sehe ich eine Kammer als eine sinnvolle und erfolgsversprechende Möglichkeit zur Stärkung der Selbstverwaltung einer Berufsgruppe. In Anbetracht der schwierigen Situation in der Physiotherapie würde ich eine derartige Verkammerung begrüßen.Aktuell soll die sogenannte Blankoverordnung in Modellprojekten getestet werden. Dabei geht es darum, dass der Arzt zwar das Heilmittel Physiotherapie verschreibt, der Therapeut dann aber selbstständig über die Auswahl und Dauer der Therapie entscheidet. Auch hier ist uns das Ausland schon weit voraus: In den Niederlanden und den skandinavischen Ländern beispielsweise können Patienten direkt, ohne vorher einen Arzt zu konsultieren, einen Physiotherapeuten aufsuchen. Wie stehen Sie und Ihre Partei dazu, Physiotherapeuten mehr berufliche Autonomie zuzugestehen?
Leider zeigt die Erfahrung mit einer Pflegekammer für Bayern, dass die Staatsregierung derartige Kammern ablehnt. Wir werden uns aber auch weiterhin für eine Pflegekammer einsetzen und auch eine Physiotherapeutenkammer fordern.
Die FREIE WÄHLER Landtagsfraktion begrüßt eine Stärkung der Autonomie im Behandlungsablauf der Physiotherapeuten. Insofern halten wir auch die Ausweitung der Modellprojekte für sehr sinnvoll. Eine Gefahr der Blankoverordnung sehen wir in der möglichen Inanspruchnahme der Physiotherapeuten durch die Krankenkassen in Form von Regressen, die bislang nur Ärzte zu befürchten haben. Hier muss eine praktikable Lösung gefunden werden, um diese Bürokratie nicht auch noch auf Physiotherapeuten auszuweiten.Vielen Dank für Ihre Stellungnahme! Im Bild (v.l.): Rüdiger von Esebeck (Vorstand PHYSIO-DEUTSCHLAND, LV Bayern), Prof. Peter Bauer (Freie Wähler), Silke Becker-Hagen (Pressesprecherin PHYSIO-DEUTSCHLAND, LV Bayern) In unserer Serie bereits erschienen sind die Antworten der FDP-Fraktion In der kommenden Woche werden wir die Stellungnahme der AfD veröffentlichen. Ein Interviewtermin mit Ruth Waldmann (SPD) ist bereits geplant, die Antworten der anderen Parteien, speziell der Regierungspartei CSU, erwarten wir mit Spannung! Wer sich eingehender mit den Forderungen und Zielen der einzelnen Parteien auseinandersetzen will, sollte sich deren Wahlprogramme ansehen, die diese jetzt nach und nach veröffentlichen werden.