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19.12.2025 – Regionalverband Nordost

Grüne Gesundheitsberufekonferenz im Deutschen Bundestag

Am 13. Dezember 2025 fand im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages die Grüne Gesundheitsberufekonferenz unter dem Titel „Wie versorgen wir morgen?“ statt. Ziel der Veranstaltung war es, gemeinsam mit Vertreter*innen aus Praxis, Wissenschaft und Politik darüber zu diskutieren, wie das deutsche Gesundheitssystem zukunftsfest aufgestellt werden kann. Mit dabei war auch das Vorstandsteam und die Landesjuniorensprecherin von Physio Deutschland Nordost.
Physio Deutschöand Nordost bei der Gesundheitsberufekonferenz der Grünen im Bundestag

Bereits zu Beginn wurde deutlich: Das Gesundheitssystem steht unter massivem Druck. In nahezu allen Versorgungsbereichen – von der ambulanten Praxis über die Pflege bis hin zu Kliniken und Rettungsdiensten – prägen Personalmangel, hohe Bürokratie und steigende Versorgungsbedarfe den Alltag. Gleichzeitig besteht Einigkeit darüber, dass reine Symbolpolitik und verbale Wertschätzung nicht ausreichen. Es braucht tiefgreifende strukturelle Reformen.

Ein System am Limit – und warum Abwarten keine Option ist

In seiner Keynote skizzierte Prof. Dr. Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt am Main und langjähriger Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit & Pflege, eindrücklich die aktuelle Lage des deutschen Gesundheitswesens. Er beschrieb ein System, das in vielen Bereichen ineffizient organisiert ist und langfristig finanziell nicht tragfähig bleibt. Überversorgung bei bestimmten Eingriffen steht einer Unterversorgung in Pflege, Prävention, Psychiatrie und Zuwendung gegenüber. Besonders problematisch sei die fehlende Koordination bei chronisch und mehrfach erkrankten Patient*innen.

Ein zentrales Hindernis bleibt die strikte Trennung zwischen ambulantem und stationärem Bereich sowie das Arbeiten in beruflichen Silos. Hinzu kommen veraltete Kommunikationsstrukturen und Fehlanreize in der Vergütung, die unnötige Leistungen begünstigen, aber Zeit für Gespräche, Koordination und Prävention kaum berücksichtigen. Die klare Schlussfolgerung: Ohne grundlegende Strukturreformen wird das System den zukünftigen Anforderungen nicht gerecht.

Versorgung 2040: ambulant, digital und im Team gedacht

Für die kommenden Jahre zeichnet sich ein deutlicher Wandel ab. Ambulantisierung, digitale Vernetzung und neue Versorgungsmodelle werden eine immer größere Rolle spielen. Klinikaufenthalte sollen zur Ausnahme werden, während ambulante, multiprofessionelle Versorgungszentren an Bedeutung gewinnen. Modelle wie Hospital at Home oder virtuelle Stationen zeigen bereits heute, dass hochwertige Versorgung auch außerhalb klassischer Krankenhausstrukturen möglich ist.

Digitale Anwendungen und Künstliche Intelligenz wurden nicht als Ersatz, sondern als Unterstützung der Gesundheitsberufe diskutiert. KI kann Dokumentation, Organisation und Monitoring übernehmen und damit wertvolle Zeit für die eigentliche Arbeit mit den Patient*innen freimachen. Gleichzeitig wurde klar benannt, dass Regulierung, Qualitätssicherung und der Schutz vor rein geschäftsmodellgetriebenen Lösungen unverzichtbar sind.

Interprofessionelle Zusammenarbeit als Schlüssel

Ein zentrales Thema der Konferenz war die interprofessionelle Zusammenarbeit. Gute Versorgung gelingt vor allem dann, wenn Ärztinnen und Ärzte, Pflege, Therapeutinnen und Therapeuten sowie weitere Gesundheitsberufe eng, strukturiert und auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Gerade bei älteren, multimorbiden Menschen ist ein durchgängiges Versorgungskonzept entscheidend.

Für die Heilmittelerbringer wurde deutlich gemacht, dass ihre Rolle künftig gestärkt werden muss. Interprofessionelle Abstimmung, Fallbesprechungen und Koordination finden bislang häufig unbezahlt statt und werden im aktuellen Vergütungssystem kaum abgebildet. Auch die Modernisierung der Berufsgesetze, der Ausbau des Direktzugangs und der gleichberechtigte Zugang zur elektronischen Patientenakte wurden als wichtige Stellschrauben benannt.

Ausbildung, Kulturwandel und neue Rollen

Neben strukturellen und finanziellen Fragen ging es auch um einen notwendigen Kulturwandel. Ausbildungs- und Studienstrukturen sind weiterhin stark versäult, obwohl interprofessionelle Kompetenzen für eine moderne Versorgung zentral sind. Zukünftig soll stärker in Aufgaben und Kompetenzen gedacht werden – orientiert am Bedarf der Patient*innen, nicht an starren Berufsgrenzen. Aus diesen Gründen ist ein interprofessioneller Kompetenzrahmen und die Akademisierung aller Gesundheitsberufe unerlässlich.

Neue Rollen wie Community Health Nurses, Gesundheitskioske oder Primärversorgungsteams auf Stadtteil- oder Regionalebene wurden als sinnvolle Ergänzung diskutiert, um Versorgung niedrigschwellig, präventiv und wohnortnah zu organisieren.

Fazit

Die Gesundheitsberufekonferenz machte deutlich: Die Transformation des Gesundheitswesens ist bereits in vollem Gange. Ob sie patientenorientiert, gerecht und nachhaltig gelingt, hängt entscheidend davon ab, ob Politik, Selbstverwaltung und Gesundheitsberufe diesen Wandel gemeinsam gestalten. Für Physio Deutschland Nordost war die Veranstaltung ein wichtiges Signal, dass die Perspektiven der Heilmittelerbringer gehört werden – und dass es jetzt darauf ankommt, diese Impulse in konkrete politische und strukturelle Veränderungen zu überführen.